„Petrus aber wandte sich um und sah den Jünger folgen, den Jesus lieb hatte, der auch beim Abendessen an seiner Brust gelegen und gesagt hatte: Herr, wer ist's, der dich verrät? Als Petrus diesen sah, spricht er zu Jesus: "Herr, was wird aber mit diesem? Jesus spricht zu ihm: Wenn ich will, dass er bleibt, bis ich komme, was geht es dich an? Folge du mir nach!“ Johannes 21,20-22
Die Begegnung mit dem Auferstandenen am See Tiberias war für Petrus ein einschneidendes Erlebnis. Er, der in einem entscheidenden Moment so jämmerlich versagt hatte, hatte die Liebe Jesu erfahren. Ihm war vergeben worden. Mehr noch: Er war beauftragt worden, die Schafe des Guten Hirten zu weiden. Jesus schenkte ihm sein volles Vertrauen, obwohl er es verloren geglaubt hatte! Doch Petrus war nicht mehr derselbe!
Früher war er stets der Erste gewesen, immer vorneweg, nie um eine Antwort verlegen. Er hatte immer eine Lösung gewusst. Von diese Zeit sprach Jesus, als er nun zu ihm sagte: „Als du jünger warst, gürtetest du dich selbst und gingst, wo du hin wolltest; wenn du aber alt wirst, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und führen, wo du nicht hin willst.“ Die Bibel erklärt: „Das sagte er aber, um anzuzeigen, mit welchem Tod er Gott preisen würde.“
Damals war Petrus selbst der Regent seines Lebens gewesen. Er hatte getan, was er für richtig hielt. Nun aber war er nicht mehr der kühne, selbstsichere Mann. Jetzt streckte er seine Hände aus, um sich von Jesus führen und leiten zu lassen. In den vergangenen dreieinhalb Jahren, in denen er Jesus nachgefolgt war, hatte er bei sich selbst Charaktereigenschaften und Wesenszüge erkannt, über die er zutiefst bestürzt war und deren er sich heute schämte. Petrus wusste nun, dass er ohne Jesus nichts tun konnte. Ohne ihn würde sein „Netz“ immer leer bleiben, egal, wie sehr er sich abmühte.
Nun aber, nach seiner Begegnung mit Jesus am See Tiberias, konnte Petrus aufatmen, seinen Blick wieder erheben! Nichts stand mehr zwischen ihm und seinem Herrn. Jesus hatte ihm sein Versagen in der Nacht seiner Gefangennahme nicht vorgehalten, ihn nicht getadelt, ihm keine Vorwürfe gemacht. Ja, die Ereignisse der letzten Tage und Wochen waren nicht einmal zur Sprache gekommen. Stattdessen war ihm der Auferstandene in seiner unendlichen Langmut und Barmherzigkeit begegnet. Er hatte ihm seine unfassbar große Liebe erwiesen, ihm vergeben und ihn wieder aufgenommen. Ihr Netz, das zuvor leer geblieben war, wurde, durch das Wort Jesu, mit hundertdreiundfünfzig großen Fischen gefüllt. Danach hielten sie gemeinsam Mahl – der Meister und seine Jünger. Anschließend durfte Petrus Jesus seine Liebe bekennen. Dann erhielt Petrus einen klaren Auftrag: „Weide meine Schafe!“ Jesus ließ ihn sogar wissen, auf welche Weise er Gott am Ende seines Lebens verherrlichen würde.
Damit waren für Petrus alle wichtigen Fragen geklärt. Er hätte nun völlig zufrieden sein können! Doch die Bibel berichtet uns: „Petrus aber wandte sich um und sah den Jünger folgen, den Jesus lieb hatte, der auch beim Abendessen an seiner Brust gelegen und gesagt hatte: Herr, wer ist's, der dich verrät?“ Als Petrus ihn nun sah, fragte er Jesus: „Herr, was wird aber mit diesem?“ Der Herr antwortete ihm: „Wenn ich will, dass er bleibt, bis ich komme, was geht es dich an? Folge du mir nach!“
Unser Leben als Jünger Jesu wäre weniger beschwerlich, würden wir immer nur auf den Auferstandenen blicken und ihm nachfolgen. Doch wie schnell lassen wir uns ablenken. Und warum? Weil wir auf andere Menschen blicken und uns mit ihnen vergleichen!
Da lernst du einen Nachfolger Jesu kennen, der so völlig anders ist als du. Du siehst bei ihm Charaktereigenschaften, die dir vortrefflich erscheinen und nach denen du dich schon lange sehnst. Ihn scheint nichts umwerfen zu können. Ach, wenn du doch so ruhig und gelassen sein könntest wie er. Wenn er mit anderen Menschen spricht, kann er so einfühlsam und geduldig sein. Du hingegen wirst schnell ärgerlich, reagierst ungehalten, wenn man nicht deiner Meinung ist oder dir widerspricht.
Möglich auch, dass du jenes Ehepaar beneidest, dessen Ehe so harmonisch zu sein scheint. Wie artig und folgsam sitzen ihre Kinder am Tisch. Warum, so überlegst du dir, sind deine Sprösslinge nur solche Rabauken? Wie oft bist du verzweifelt und stößt bei ihrer Erziehung an deine Grenzen!
Fortwährend vergleichen wir uns mit anderen. Dann glauben wir, bei ihnen Wesenszüge und Veranlagung zu erkennen, die uns fehlen. Sehr oft beneiden wir auch diejenigen, die Gottes Wort vollmächtig verkündigen. Oder wir bewundern jene, die andere Menschen, im Bus oder auf der Straße, ansprechen und ihnen das Evangelium verkündigen.
So beobachten wir einander und stellen Vergleiche an. Und plötzlich sind wir unzufrieden und fühlen uns benachteiligt. Dann treten wir vor den Herrn und fragen ihn: „Herr, was wird aber mit diesem?“ Herr Jesus, warum gehst du mit meinem Bruder so ganz anders um? Warum führst du ihn einen anderen Weg? Er wurde erst vor kurzer Zeit gerettet und macht nun Erfahrungen, die du mir bisher vorenthalten hast. Ihm hast du Gaben gegeben, die ich mir schon so lange wünsche.
Während wir uns mit anderen vergleichen, übersehen wir das Große und Wunderbare, das Gottes an uns getan hat!
Anstatt auf andere zu schauen, sollten wir sagen: Herr Jesus, ich danke dir, dass du mich angenommen und mir vergeben hast. Öffne mir die Augen, damit ich erkennen kann, wie reich du mich gemacht hast. Zeige mir, was dir wichtig und wohlgefällig ist. Verherrliche dich durch mein Leben! Führe mich in meine Berufung hinein! Ich will dich mehr erkennen! Ich will dazu beitragen, dass dein Wille geschieht und dein Reich gebaut wird. Es genügt mir zu wissen, dass ich dir gehöre und dass du mich lieb hast. Ich lege meine Hand in deine Hand und lasse mich von dir führen. Gürte du mich!
Wer Petrus mit Johannes vergleicht, wird große Unterschiede erkennen. Auch in ihrem Dienst werden unterschiedliche Schwerpunkte deutlich. Nachdem der Herr an Pfingsten seinen Heiligen Geist ausgegossen hatte, verkündigten Petrus und Johannes in Jerusalem gemeinsam das Evangelium. Danach sehen wir, wie sie sie zusammen in den Tempel gehen, um zu beten. Unterwegs heilt Gott durch sie einen Gelähmten! Danach werden sie ins Gefängnis geworfen. Man stellt sie vor den Hohen Rat, der sie bedroht und geißeln lässt. Viele Jahre später befindet sind Johannes auf einer kleinen Insel im Mittelmeer, wohin man ihn, seines Glaubens wegen, verbannt hatte. Er ist ganz allein! Und hier, am Ort größter Einsamkeit, fernab des Weltgeschehens, empfängt der Jünger Jesus die größte Offenbarung, die je einem Menschen zuteil geworden ist. Er sieht den erhöhten Menschensohn und erhält den Auftrag, Schreiber des letzten und abschließenden Buches der Heiligen Schrift zu sein. Wo aber war Petrus zu jener Zeit? Er hatte sein Leben bereits Jahre zuvor als Märtyrer niedergelegt, Gott in seinem Tod preisend, so, wie es ihm von Jesus verheißen worden war.
Auch wenn man die Briefe der beiden Jünger miteinander vergleicht, die sie an Gläubige geschrieben haben, wird man Unterschiede erkennen: Während es das Anliegen des Petrus war, angesichts vielfältiger Prüfungen und Anfechtungen, den Glauben der Heiligen zu stärken, betonte Johannes immer wieder, dass Gott Leben, Licht und Liebe ist. Und er forderte seine Leser auf, in dieser Wahrheit zu leben und zu wandeln.
Wenn wir Jesus nachfolgen wollen, dürfen wir uns nicht umdrehen und auf andere blicken. Der Herr wird keinen seiner Jünger denselben Weg führen. Auch die Mittel, die unser himmlischer Vater gebraucht, um uns in das Ebenbild seines Sohnes umzugestalten, werden unterschiedlich sein. Und obwohl Petrus und Johannes demselben Herrn dienten, betonten sie doch unterschiedliche Aspekte seiner Person. Auch den Glauben der Heiligen stärkten sie auf unterschiedliche Art und Weise.
Eines aber war ihnen gemeinsam: Beide liebten ihren Herrn und Retter über alles und waren aufs Engste mit ihm verbunden. Sie lebten in seiner Gegenwart und hatten seine Herrlichkeit vor Augen. Ihm, dem Auferstandenen, folgten sie Schritt für Schritt. Ihm vertrauten sie täglich neu ihr Leben an. Auch waren sie von derselben Leidenschaft und dem gleichen Eifer ergriffen – sie wollten Jesus verherrlichen, seinen Namen groß machen und ihn erhöhen, Menschen aus dem Reich der Finsternis befreien, zu Christus führen und mit ihm vertraut machen.
Was würde geschehen, wenn wir die Briefe des Johannes mit dem des Jakobus vergleichen? Oder wollen wir, wie es die Korinther taten, den Dienst des Paulus an dem des Petrus oder des Apollos messen?
Vielleicht bewundern wir einen Evangelisten, der durch seine Predigt viele Menschen zu Jesus führt und vergessen dabei, dass er vor Gott nicht höher geachtet ist, als eine Ehefrau und Mutter, die sich um das Wohlergehen ihrer Familie kümmert, die ihren Mann liebt, sich ganz der Erziehung ihrer Kinder widmet und dabei im Gebet vor Gottes Thron für ihre Lieben einsteht und sorgsam darauf achtet, dass in ihrem Haus der Friede Christi regiert.
Es steht uns nicht zu, die Gaben zu vergleichen, die der Geist Gottes wirkt, um dann zu verachten oder zu bevorzugen, was der Geber aller guten Gaben seinen Heiligen – gemäß seinem Willen – ausgeteilt hat. Vielmehr sollten wir alles schätzen, was der Verherrlichung Jesu, sowie dem Aufbau seines Leibes dient, auch wenn es nicht unserer Erfahrung entspricht. Wichtiger ist, dass wir Christus nachfolgen! Das aber, was er uns geschenkt und anvertraut hat, sollte dem Nutzen anderer dienen, nicht dazu, uns mit ihnen zu vergleichen, sie zu beneiden oder zu kritisieren. Deshalb schrieb Petrus den Gläubigen: „Dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes.“
Petrus lässt uns wissen, warum bestimmte Dinge in ihrem Leben geschehen und sogar notwendig sind. Er sagt: „Darin frohlockt ihr, die ihr jetzt eine kleine Zeit, wenn es nötig ist, in mancherlei Versuchung betrübt worden seid, damit die Bewährung eueres Glaubens viel kostbarer erfunden wird als die des vergänglichen Goldes, das aber durch Feuer erprobt wird, zu Lob und Herrlichkeit und Ehre in der Offenbarung Jesu Christi … Ihr Lieben, lasst euch die Hitze nicht befremden, die euch widerfährt zu eurer Versuchung, als widerführe euch etwas Seltsames, sondern freut euch, dass ihr mit Christus leidet, damit ihr auch zur Zeit der Offenbarung seiner Herrlichkeit Freude und Wonne haben mögt.“
Jesus will, dass wir unser Vertrauen ganz auf ihn und die uns dargebotene Gnade setzten. Vergleichen wir uns mit anderen, werden wir ihn schon bald fragen: „Herr, was soll aber dieser?“ Dann wird er uns antworten: „Was geht es dich an? Folge du mir nach!“
Herr Jesus, hilf mir, meine Augen nicht von dir abzuwenden! Du gehst mir heute voran, und ich folge dir nach! Lass mich erkennen, wozu du mich berufen hast und gebrauche mich so, wie es dir gefällt. „Ebne vor mir deinen Weg!“
Die Schrift sagt: „Wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wandeln sollen.“
1.Kor.1,11-13; 3,4-6; 1.Petr.4,10; 1,6-7 (Elberfeld); 4,12-13; 1,13; Ps.5,9; Eph.2,10