19. - 20. September

„Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und nimmst nicht wahr den Balken in deinem Auge? Oder wie kannst du sagen zu deinem Bruder: Halt, ich will dir den Splitter aus deinem Auge ziehen?, und siehe, ein Balken ist in deinem Auge. Du Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge; danach sieh zu, wie du den Splitter aus deines Bruder Auge ziehst.“  Matthäus 7,3-5

 

Was wäre aus uns geworden, wenn Gott seinen Sohn zum Gericht auf diese Erde gesandt hätte, anstatt zu unserer Errettung? Jesus sagte: „Gott hat seinen Sohn nicht gesandt in die Welt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde.“

Erinnern wir uns an die Ehebrecherin, die man auf frischer Tat ertappt hatte und zu Jesus brachte, damit er sie richten und verurteilen sollte. Was aber tat der Herr? Er vergab ihr, anstatt sie zu verdammen. Und während er sich der Sünderin erbarmte, kümmerte er sich zugleich auch um ihre Ankläger. Er half ihnen, den „Balken“ in ihrem eigenen Auge zu erkennen, indem er zu ihnen sagte: „Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.“ So überführt schlichen alle beschämt davon, worauf Jesus die Frau fragte: „Wo sind sie, Frau? Hat dich niemand verdammt?“ Sie antwortete ihm: „Niemand, Herr.“ Jesus sprach: „So verdamme ich dich auch nicht; geh hin und sündige hinfort nicht mehr.“

 

Wie schnell sehen wir den Splitter im Auge unseres Bruders, doch wie lange dauert es, bis wir den Balken im eigenen Auge entdecken. Wenn wir bei einem anderen ein Fehlverhalten erkennen, reagieren wir nicht selten hart und unbarmherzig. Dann aber, wenn wir selbst versagt haben, sind wir überaus nachsichtig. Eigene Fehler entschuldigen wir schnell. Auch unsere Eigenarten können wir mit großer Geduld ertragen. Wenn wir jedoch unseren Bruder bei einem geringfügigeren Vergehen ertappen, verurteilen wir ihn sofort. Ja, oftmals scheuen wir uns nicht, das Fehlverhalten anderer sogar öffentlich anzuprangern und bloßzustellen.

 

Ist dieses Verhalten Ausdruck der Gesinnung Christi? Gewiss nicht!

 

Wie wir mit dem Splitter im Auge unseres Bruders umgehen, hängt maßgeblich davon ab, ob wir den Balken in unserem eigenen Auge erkannt haben.

 

Paulus zeigt uns, wie wir mit dem Fehlverhalten anderer umgehen sollen. Er sagte: „Liebe Brüder, wenn ein Mensch etwa von einer Verfehlung ereilt wird, so helft ihm wieder zurecht mit sanftmütigem Geist, ihr, die ihr geistlich seid; und sieh auf dich selbst, dass du nicht auch versucht werdest.“

Wie können wir in Versuchung geraten, wenn wir unserem Nächsten helfen wollen? Paulus sagte: „Denn wenn jemand meint, er sei etwas, obwohl er doch nichts ist, der betrügt sich selbst.“

Die Versuchung besteht also darin, dass wir uns falsch einschätzen, wenn wir mit dem Versagen anderer konfrontiert werden. Vielleicht schütteln wir wegen ihrem Fehlverhalten den Kopf und meinen, dass uns so etwas nicht passieren könne. Doch mit dieser Einschätzung betrügen wir uns selbst – wir sehen nur den Splitter im Auge unseres Bruders, nicht aber den Balken in unserem eigenen Auge.

„Sieh auf dich selbst“, rät uns Gottes Wort. Erinnere dich deiner eigenen Schwachheit und Unzulänglichkeit. Denke daran, wie unmöglich du dich erst kürzlich verhalten hast. Willst du etwa behaupten, du wärst ein besserer Mensch? Möglich, dass du in dem Bereich, in dem dein Bruder zu Fall kam, nicht versagt hast. Dafür aber wird dein Mangel an anderer Stelle offenkundig. Würde der Mensch, der dir mit leiser, stockender Stimme sein Fehlverhalten schildert, dein eigenes Versagen kennen, würde er sehr wahrscheinlich über dich den Kopf schütteln. Deshalb sagte Paulus weiter: „Ein jeder aber prüfe sein eigenes Werk; und dann wird er seinen Ruhm bei sich selbst haben und nicht gegenüber einem andern. Denn ein jeder wird seine eigene Last tragen.“

Hilf deinem Bruder im Geist der Sanftmut. Und erinnere dich des Balkens in deinem Auge, während dir dein Bruder sein Versagen bekennt. Betrüge dich nicht selbst! Wenn du dein eigenes Werk prüfst, wirst du erkennen, dass du im Grunde deines Herzens keinen Deut besser bist. Dieses Wissen wird dir helfen, deinem Bruder Barmherzigkeit zu erweisen, ihm Verständnis und Mitgefühl entgegenzubringen. Denke daran, wie viel Langmut dir der Herr Tag für Tag erweist und mit wie viel Geduld er dich trägt.

 

Petrus hatte von sich eine sehr hohe Meinung. Er war fest davon überzeugt, dass er Jesus niemals verleugnen würde. So stellt sich die Frage, wie viel Verständnis er mit dieser Selbsteinschätzung für andere Menschen aufbringen konnte, für Menschen, die nicht so stark waren wie er? Dann aber verleugnete er seinen Herrn dreimal – innerhalb nur weniger Stunden. Einige Tage später stand er dann reumütig und zutiefst betrübt über sein eigenes Versagen vor Jesus und musste sich von ihm fragen lassen: „Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieber, als mich diese haben?“ Wahrscheinlich hätte Petrus früher gesagt: Natürlich liebe ich dich mehr, als es alle anderen tun. Nun aber antwortete er: „Ja Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe.“ Spricht Jesus zu ihm: „Weide meine Lämmer!“

Zweifellos hatte Petrus den Balken in seinem eigenen Auge erkannt. Nun war er qualifiziert, die Schafe Jesu zu weiden. Ja, sogar um dessen „Lämmer“ konnte er sich nun kümmern, die mit noch größerer Sanftmut und Milde getragen werden müssen.

 

Wenn du um den Balken in deinem eigenen Auge weißt, dann bemühe dich, ihn durch die Barmherzigkeit Jesu zu entfernen. Es mag sein, dass es dir schon bald gelingt – oder aber erst nach langer Zeit und innerem Ringen. Die Barmherzigkeit aber, die dir der Herr täglich neu erweist und die Liebe, mit der er dich trägt, gib weiter an deinen Bruder. Wer weiß, vielleicht kannst du sogar – mit diesem Geist der Sanftmut – den Splitter aus dem Auge deines Bruders entfernen!

 

Jh.3,17; 8,3-11; Gal.6,1-5; Mt.26,33; Jh.21,15-17

 
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