23. - 24. Juli

„Ich suche meine Brüder!“  1.Mose 37,16

 

Josef war dem Wunsch seines Vaters gefolgt, obwohl er wusste, dass ihn seine Brüder nicht leiden konnten. Jakob hatte gesagt: „Geh hin und sieh, ob's gut steht um deine Brüder und um das Vieh, und sage mir dann, wie sich's verhält.“ Seitdem ihm sein Vater, als Ausdruck seiner Wertschätzung, einen buntbestickten Rock geschenkt hatte, war ihre Haltung ihm gegenüber noch feindseliger geworden. Sie waren voller Neid und konnten ihm kein freundliches Wort mehr sagen. Als er ihnen schließlich auch noch von seinen Träumen erzählte, war ihre Beziehung vollends zerrüttet. So war Josef gewiss nicht frohen Mutes, als er sich auf den Weg machte, um nach seinen Brüdern zu sehen.

Unterwegs verirrte er sich, traf dann aber einen Mann, der ihn fragte: „Wen suchst du?“ Josef antwortete: „Ich suche meine Brüder; sage mir doch, wo sie hüten. Der Mann sprach: Sie sind von dannen gezogen; denn ich hörte, dass sie sagten: Lasst uns nach Dotan gehen. Da zog Josef seinen Brüdern nach und fand sie in Dotan.“

 

Seine Brüder sahen ihn zuerst. Und während er noch weit entfernt war, schmiedeten sie einen teuflischen Plan. Nur mit Mühe konnte Ruben, der Älteste, verhindern, dass Josef von seinem eigenen Fleisch und Blut getötet wurde. Sie nahmen ihn jedoch und warfen ihn in eine wasserlose Grube. Danach setzten sie sich hin und aßen. Als eine Karawane vorbeizog, schlug Juda vor, Josef an die Ismaeliter zu verkaufen. Nachdem man ihnen zwanzig Silberstücke gezahlt hatten, überließen sie ihren Bruder den Fremden und erzählten zu Hause, ein wildes Tier habe ihn getötet. Die Ismaeliter aber brachten ihren Gefangenen nach Ägypten, wo sie ihn an Potifar, den Kämmerer des Pharao und Befehlshaber der Leibwache, verkauften.

 

„Ich suche meine Brüder“! Von diesem Wunsch ließ sich Josef leiten. Dafür war er sogar bereit, Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen und persönliche Empfindungen hintanzustellen. Auch als er sich verirrte, gab er nicht auf. Als er den Weg nicht mehr klar vor Augen hatte, nahm er die Hilfe eines anderen in Anspruch. Der Wunsch seines Vaters hatte Vorrang!

 

Auch in uns gibt es eine Sehnsucht, die Gott, unser Vater, in unser Herz gelegt hat: Wir suchen unsere Brüder! Uns verlangt nach der Gemeinschaft derer, die an Christus glauben und ihm angehören. Wir wissen, dass alle, die durch Jesus erlöst wurden, Kinder eines Vaters sind. Deshalb sagt die Schrift: “In seiner Liebe hat er uns dazu vorherbestimmt, seine Kinder zu sein durch Jesus Christus ... In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden.“

Doch Gott, unser Vater, hat uns nicht nur vergeben, gereinigt und geheiligt. Durch die Wiedergeburt hat er uns auch sein eigenes Leben geschenkt und es in unser Herz gepflanzt. Das ist es, was uns zu seinen Kindern macht, zu Gliedern der Familie Gottes!

Damit nicht genug, hat Christus am Kreuz alles Trennende und jede Ungleichheit beseitigt, alles, was einst zwischen uns Menschen stand: jede Satzung, jede Mauer und jede Feindschaft. Somit gibt es nichts mehr, das uns hindern könnte, einander anzunehmen und ungetrübte Gemeinschaft zu haben. „Christus ist unser Friede!“

Doch was geschieht vielerorts? Anstatt dass die Gläubigen ihren Erretter mit einem Munde loben und seinen Namen gemeinsam erheben, diskutieren, zanken und streiten sie miteinander. Davor aber warnt uns die Schrift und sagt: „Wenn ihr euch aber untereinander beißt und fresst, so seht zu, dass ihr nicht einer vom andern aufgefressen werdet.“

Wenn wir miteinander zanken und streiten, gibt es für uns nichts zu gewinnen – wir können nur verlieren – unsere Geschwister verlieren. Am Ende gehen wir getrennte Wege und werden einander fremd.

 

Warum gibt es so viel Streit unter den Kindern Gottes?

Auseinandersetzungen werden unvermeidbar sein, wenn wir an unserer eigenen biblischen Sicht festhalten oder bestimmte Wahrheiten, die wir besonders lieb gewonnen haben, höher achten als die Wahrheit, die alle anderen weit überragt – die Wahrheit nämlich, die Jesus Christus selbst ist.

Zank und Uneinigkeit wird es auch dann geben, wenn wir bestimmte geistliche Erfahrungen überbetonen, die uns Christus zwar nahegebracht haben, die andere Kinder Gottes aber anders gewichten.

Dürfen wir solchen Dingen größere Aufmerksamkeit schenken als der brüderlichen Liebe, dem Frieden untereinander und der Einheit des Leibes Christi? Oder wollen wir die Zäune, die unser Herr Jesus am Kreuz niedergerissen hat, wiederum aufbauen? Wollen wir erneut Forderungen erheben, die er doch erfüllt hat oder Satzungen aufstellen, die er bereits abgetan hat?

Wenn wir das tun, wird das Band des Friedens zwischen Bruder und Bruder auf Äußerste gespannt sein, ja, es wird früher oder später sogar zerreißen. So gewinnen wir nichts! Im Gegenteil, wir verzehren uns gegenseitig, bis von der Herrlichkeit Christi, die über uns erstrahlen soll, nicht mehr viel zu sehen ist. Dann sitzen wir, wie Josef, in einer wasserlosen Grube! Dann haben wir uns gegenseitig Fesseln angelegt. Dann sind wir fremden Mächten ausgeliefert und an sie verkauft. Und wie oft ist das im Laufe der Kirchengeschichte geschehen!

Dann wird uns der Herr die Frage stellen, die er einst auch Kain stellte, nämlich: „Wo ist dein Bruder?“

Wir mögen davon überzeugt sein, dass wir schriftgemäß handeln und im Recht sind – doch unser Bruder liegt in der Grube und ist zum Spielball böser Mächte geworden. Kann Gott damit zufrieden sein? Wird auch er den Buchstaben über das Leben erheben oder die „richtige Lehre“ höher bewerten, als herzliches Erbarmen und brüderliche Liebe?

 

Wie können wir uns niedersetzen und essen, wie Schlaf finden, wenn unser Bruder nicht bei uns ist? Wann wollen wir uns aufmachen, um zu sehen, wie es um ihn steht? Doch gerade damit würden wir den Beweis erbringen, dass wir in der Wahrheit wandeln, denn Johannes schrieb: „Ich bin sehr erfreut, dass ich unter deinen Kinder solche gefunden habe, die in der Wahrheit leben, nach dem Gebot, das wir vom Vater empfangen haben. Und nun bitte ich dich, Herrin - ich schreibe dir kein neues Gebot, sondern das, was wir gehabt haben von Anfang an-, dass wir uns untereinander lieben.“ Und „Denn das ist die Botschaft, die ihr gehört habt von Anfang an, dass wir uns untereinander lieben sollen, nicht wie Kain, der von dem Bösen stammte und seinen Bruder umbrachte ... Wir wissen, dass wir aus dem Tod in das Leben gekommen sind; denn wir lieben die Brüder. Wer nicht liebt, der bleibt im Tod ... Ihr Lieben, lasst uns einander lieb haben; denn die Liebe ist von Gott, und wer liebt, der ist von Gott geboren und kennt Gott.“

 

Zur Gemeinde in Philadelphia, einer Versammlung, die von herzlicher Bruderliebe geprägt war, sagte der Herr: „Siehe, ich werde schicken einige aus der Synagoge des Satans, die sagen, sie seien Juden, und sind's nicht, sondern lügen; siehe, ich will sie dazu bringen, dass sie kommen sollen und zu deinen Füßen niederfallen und erkennen, dass ich dich geliebt habe.“

Die Worte Jesu lassen erkennen, welche Gesinnung Gott eines Tages belohnen wird: Wer sich heute selbst erhöht und vor anderen aufbläst, der wird von Gott erniedrigt werden. Wessen Herz aber in brüderlicher Liebe entflammt ist, dem werden sogar Menschen, die aus der Schule Satans stammen, nichts anhaben können. Warum? Weil die Liebe Christi in ihnen „stark ist wie der Tod“ und „ihre Glut feurig und eine Flamme des Herrn“. Sie verzehrt alles, was Kinder Gottes voneinander trennen will.

 

„Ich suche meine Brüder“! Wenn du erkannt hast, dass dies der Wunsch deines himmlischen Vaters ist, dann solltest du nicht zögern. Hätte Josef lange darüber nachgedacht, wie ihn seine Brüder wohl empfangen werden, wäre er wahrscheinlich zu Hause geblieben. Die Aufforderung seines Vaters aber war klar und eindeutig: „Geh hin und sieh, ob’s gut steht um deine Brüder!“ Wenn das der Wunsch unseres himmlischen Vaters ist, dann dürfen wir keine Einwände erheben!

Es ist unerheblich, wie dich deine Geschwister empfangen, wenn du zu ihnen kommst und Gemeinschaft mit ihnen suchst. Ob sie dich freudig aufnehmen oder dir gleichgültig begegnen, ob sie dir Liebe erweisen oder dich von sich stoßen – du suchst das Herz deiner Brüder! Du kannst dich nicht von ihnen abwenden! Sie sind ein Teil von dir!

 

Wie viel Herrlichkeit Christi kann in unserer Mitte offenbar werden, wenn wir alle beleidigt und rechthaberisch in unserer „Grube“ sitzen bleiben? Was aber könnte geschehen, wenn wir vor den Thron Gottes treten und füreinander bitten, einander segnen und die Hand zur Versöhnung reichen würden? Wie hell würde das Zeugnis Jesu erstrahlen, wenn wir, die Glieder seines Leibes, in Liebe aneinander festhalten würden? Wie real könnte wir die Gegenwart Jesu in unserer Mitte erfahren, würden wir, die Gläubigen, herzliche Gemeinschaft pflegen, die frei ist von gegenseitigem Misstrauen, frei von Beschuldigungen, frei von Forderungen.

Erst wenn wir unseren Brüdern die Hand reichen und sie unser Herz finden lassen, werden die Mauern fallen, die uns heute unüberwindlich erscheinen. Erst wenn wir bereit sind, einander anzunehmen und voneinander zu empfangen, kann Trennendes überwunden, können Zäune abgetan werden.

 

Und wie sollen wir denen begegnen, die in der Vergangenheit Fehler begangen haben? Erinnere dich der Antwort des Herrn, als Petrus ihn fragte: „Herr, wie oft muss ich denn meinem Bruder, der an mir sündigt, vergeben? Genügt es siebenmal?“ Jesus sprach zu ihm: „Ich sage dir: nicht siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal.“

 

„Ich suche meine Brüder“!

Wer sein Herz vor seinem Bruder verschließt, wird früher oder später verarmen! Der aber, der sich aufmacht und seine „Glaubensgenossen“ aufsucht, wird immer mehr zunehmen und großen Gewinn haben. Warum? Weil er dies nicht aus eigener Kraft vermag! Wer das Herz seines Bruders finden will, braucht die Gesinnung Jesus Christi! Ohne ihn können wir Trennendes nicht überwinden! Nur seine Liebe vermag es! Von dieser Liebe sprach Paulus, als er sagt: „Sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu ... Sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles. Die Liebe hört niemals auf.“

 

Wer seinem Bruder zürnt, ihn verurteilen, verachtet oder sich von ihm abwendet, der wird erfahren, dass der Strom der Gnade Gottes in seinem Herzen immer spärlicher fließen und schließlich zum Rinnsal werden wird. Wer sich jedoch aufmacht und seinen Bruder sucht, wer sein Herz finden lässt, vergibt, aufnimmt und bereit ist zu dienen, der wird erfahren, dass seine „Vorratskammern“ mit den Reichtümern Christi gefüllt sein werden. Ihm gilt die Verheißung des Herr: „Gebt, so wird euch gegeben. Ein volles, gedrücktes, gerütteltes und überfließendes Maß wird man in euren Schoß geben; denn eben mit dem Maß, mit dem ihr messt, wird man euch wieder messen“. Und „Du wirst sein wie ein bewässerter Garten und wie eine Wasserquelle, der es nie an Wasser fehlt".

 

1.Mose 37; Eph.1,5-7; 2,4-6-8,13-18; Röm.15,5-7; Gal.5,15; 1.Mose 4,9; 2.Jh.4-5; 1.Jh.3,11-12,14; 4,7; Mt.5,14; Phil.2,15; Mt.23,12; Offb.3,8-9; Hohel.8,6; Mt.18,21-22; 1.Kor.13,5.7-8; 1.Mose 41,48-49; Lk.6,38; Jes.58,9-11

 
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