27. - 28. November

„Der Jünger, den Jesus lieb hatte!“ Johannes 21,7

 

Wer die Schriften des Johannes liest, würde nicht vermuten, dass ihn Jesus einst „Sohn des Donners“ genannt hatte. Demnach war Johannes damals, als ihn Jesus in seine Nachfolge rief, kein schüchterner junger Mann, der durch Zurückhaltung auffiel. Wir dürfen annehmen, dass sich Johannes lautstark Gehör verschaffen konnte und ein hitziges Temperament besaß. Wenn es unter den Jüngern Meinungsverschiedenheiten gab, hielt er sich nicht zurück. Besonders eine Begebenheit bestätigt diese Tatsache. Als Jesus mit seinen Jüngern auf dem Weg nach Jerusalem war, sandte er Boten in ein Dorf, das von Samaritern bewohnt wurde. Dort wollte er die Nacht verbringen. Doch die Leute der Stadt weigerten sich, Jesus aufzunehmen. Als Johannes und sein Bruder Jakobus das hörten, sagten sie: „Herr, willst du, so wollen wir sagen, dass Feuer vom Himmel falle und sie verzehre.“ Jesus aber wies ihr Ansinnen entschieden zurück! Er war nicht gekommen, das Leben der Menschen zu vernichten, sondern zu erhalten.

Johannes war in jungen Jahren auch kein demütiger, bescheidener Mann. Im Gegenteil, als sich die Jünger miteinander stritten, wer unter ihnen wohl der Größte sei, blieb er nicht im Hintergrund. Er und sein Bruder traten sogar vor Jesus und baten ihn: „Meister, wir wollen, dass du uns tust, um was wir dich bitten werden.“ Als Jesus fragte: „Was wollt ihr, dass ich für euch tue?“, antworteten sie: „Gib uns, dass wir sitzen einer zu deiner Rechten und einer zu deiner Linken in deiner Herrlichkeit.“ Jesus aber sprach: „Ihr wisst nicht, was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke, oder euch taufen lassen mit der Taufe, mit der ich getauft werde?“ Sie sagten: „Ja, das können wir.“ Als die anderen Jünger ungehalten reagierten, sprach der Herr: „Wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein; und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele.“

 

Offensichtlich war im Leben des Johannes eine einschneidende Veränderung geschehen. Damals, als ihn Jesus in seine Nachfolge rief, unterschied sich der junge Fischer nicht wesentlich von anderen Menschen. Dass aus seinem Herzen später die Güte, Barmherzigkeit und Liebe Gottes flossen, einem Strom lebendigen Wassers gleich, ist allein dem Umwandlungswerk des Heiligen Geistes zuzurechnen. Derselbe Mann, der damals so zornig wurde und ein ganzes Dorf auslöschen wollte, schrieb Jahre später: „Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht, denn Gott ist die Liebe ... Wer nicht liebt, der bleibt im Tod ... Wir haben erkannt und geglaubt die Liebe, die Gott zu uns hat. Gott ist Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“

 

Wer das von Johannes geschriebene Evangelium liest, wird vergeblich nach einem Hinweis auf den Verfasser suchen. Der Schreiber vermied es bewusst, seinen Namen zu erwähnen. Er sagte lediglich: „Der Jünger, den Jesus lieb hatte.“

So erfahren wir, dass „der Jünger, den Jesus lieb hatte“, beim letzten gemeinsamen Mahl seinem Herrn ganz nahe war. Auch als Jesus am Kreuz hing, war Johannes zugegen. Er war nicht geflohen. Wir lesen: „Als nun Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er lieb hatte ...“ Obwohl Jesus dann Johannes bat, sich um seine Mutter zu kümmern, hielt es der Jünger nicht für nötig, seinen Namen zu erwähnen!

Auch als sich einige Tage danach der Auferstandene seinen Jüngern am See Tiberias offenbarte und Johannes ihn zuerst erkannte, berichtete er nur: „Da spricht der Jünger, den Jesus lieb hatte, zu Petrus: Es ist der Herr!“ Sogar als Petrus von Jesus wissen wollte, was denn mit Johannes geschehen werde, lässt der Schreiber nicht erkennen, dass diese Frage seine eigene Zukunft berührte. Er blieb im Hintergrund, in der Verborgenheit. Er hatte nur einen Wunsch – er wollte Jesus in den Mittelpunkt stellen. Allein die Herrlichkeit des Sohnes Gottes sollte hell erstrahlen und für alle sichtbar werden. Johannes genügte es, zu wissen, dass er von Jesus geliebt wurde!

 

Wer wissen möchte, was Johannes nach der Auferstehung Jesu tat, wird feststellen, dass ihn die Schrift nur kurz und eher beiläufig erwähnt. Ganz im Gegensatz zu Petrus oder Paulus. Wir hören nur, dass Johannes mit Petrus zum Tempel ging, um dort zu beten. Danach sehen wir beide vor den Hohen Rat gestellt, wo sie mit großem Freimut die Auferstehung Jesu von den Toten bezeugten. Die Schrift berichtet: „Sie sahen aber den Freimut des Petrus und Johannes und wunderten sich; denn sie merkten, dass sie ungelehrte und einfache Leute waren, und wussten auch von ihnen, dass sie mit Jesus gewesen waren.“

Schließlich wird uns berichtet, dass Petrus und Johannes nach Samarien gesandt wurden, um Menschen, die gerade erst errettet worden waren, in die Fülle Jesu Christi hineinzubringen.

In seinem Brief an die Galater erwähnt der Apostel Paulus den Johannes und nennt ihn eine „Säule der Gemeinde“ in Jerusalem.

 

Erinnern wir uns, was Jesus zu Petrus sagte, als der auf Johannes deutete und fragte: „Herr, was wird aber mit diesem?“ Jesus antwortete: „Wenn ich will, dass er bleibt, bis ich komme, was geht es dich an?“ Der Herr hatte nicht gesagt: „Wenn ich will, dass er viele Länder bereist und große Taten vollbringt!“ Demnach steht im Leben des Johannes nicht das im Vordergrund, was Gott durch einen Menschen zu tun vermag, sondern was er in ihm tun kann. Das Leben des Johannes zeugt von der umwandelnden Kraft des Lebens Christi! Wie hell und klar leuchtet darin das Wesen desjenigen hervor, an dessen Brust er einst lag. Zuvor ein „Sohn des Donners“, war Johannes am Ende seines Lebens zu einem Zeugen der Liebe Gottes geworden, einer, der das Herz Jesu berührt hatte und hier zur Ruhe gekommen war. Wahrhaftig, er hatte den kennen gelernt, der Licht, Leben und Liebe ist!

 

Johannes war ein Fischer, ein einfacher Mann, der keine besondere Ausbildung genossen hatte. Trotzdem schrieb er eines der wichtigsten und bedeutendsten Bücher der Weltliteratur. Als er am Ende seines Lebens angelangt war, verbannte man ihn „um des Wortes Gottes willen und des Zeugnisses von Jesus“ auf die Insel Patmos. Hier nun offenbarte ihm Gott Dinge, die vor ihm kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hatte. Johannes sah Ereignisse, die heute noch auf ihre Erfüllung warten und zum Teil bis in die Ewigkeit hineinreichen.

Doch wie stellte sich der Mann, der diese gewaltige Offenbarung empfing und Jesus in einem Licht sah, dass er wie ein Toter zu dessen Füßen niederfiel, seinen Adressaten vor? Er schrieb: „Ich, Johannes, euer Bruder!“ Auch in diesen Stunden wollte sich Johannes nicht über dich und mich erheben. Er suchte nicht nach Bewunderung und Anerkennung. Nicht ein großer, bedeutender Apostel wollte hier zu uns zu sprechen, sondern ein einfacher, schlichter Bruder suchte unser Herz, sehnte sich nach unserer Gemeinschaft.

Johannes wollte, dass man den bewundert, der in ihm so mächtig gewirkt und ihn in sein Ebenbild umgestaltet hatte – Jesus, den Sohn Gottes. Es genügte ihm zu wissen, dass er von Jesus geliebt war!

 

Johannes wurde von Jesus nicht mehr geliebt, denn die Schrift betont ausdrücklich, dass seine Liebe allen Jüngern gleichermaßen galt. Uns wird gesagt: „Wie er die Seinen geliebt hatte, so liebte er sie bis ans Ende.“ Johannes war sich der Liebe Jesu in besonderem Maße bewusst, was sich sicherlich auch dadurch beweisen lässt, dass er sich auch viele Jahre später der Worte Jesu erinnerte: „Bleibt in meiner Liebe!“

 

So wie Johannes damals, sollst du heute im Genuss der Liebe Jesu Christi stehen und bezeugen: Ich bin der Mensch, den Jesus lieb hat! Und weil der, der in Johannes mächtig war, heute in dir wohnt, kann er auch dich in sein Ebenbild umgestalten! Vertraue dem wunderbaren, machtvollen Leben Jesu! Wandle heute in seinem Licht, und bleibe in seiner Liebe!

 

Mk.3,17; Lk.9,52-55; 1.Jh.4,8; 3,14; 4,16; Mk.9,33-35; 10,35-45; Jh.13,23; 19,26; 20,2; 21,7.20-24; Apg.3,1; 4,13; 8,14; Gal.2,9; Offb.1,9; Jh.13,1; 15,9

 
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