Was hast du gegessen?

Man könnte behaupten, dass alle Probleme des Menschen darauf zurückzuführen sind, dass er das Falsche gegessen hat.

Gott setzte den Menschen in einen Garten, der in seiner Fülle alles bot, was man sich nur wünschen konnte. Nicht nur gab es hier Bäume, Sträucher und Pflanzen, die in unterschiedlichen Größen, Formen und Farben eine Pracht für die Augen darstellten, jedes Gewächs brachte auch Früchte hervor, die in ihrem Geschmack variierten und alles beinhalteten, was der Mensch zum Leben benötigte.

„Du darfst essen von allen Bäumen im Garten!“ Mit diesen Worten lud Gott den Menschen ein. Am Anfang stand also kein Verbot, sondern eine Einladung: Greif zu, nimm, iss, lass es dir schmecken und wohlergehen; genieße, was dir dein Schöpfer fürsorglich bereitet hat.

Doch das war noch längst nicht alles: In der Mitte des Gartens stand ein ganz besonderer Baum. Seine Frucht diente nicht nur dem leiblichen Wohl. Wer davon essen würde, sollte ewig leben.

Da Gott den Menschen jedoch mit einem freien Willen geschaffen hatte, musste es für ihn eine Entscheidungsmöglichkeit geben – er musste eine Wahl treffen können. Deshalb gab es in Eden unter den vielen Bäumen, die dort wuchsen, einen Baum, von dem der Mensch nicht essen sollte – den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. Vor ihm hatte Gott ausdrücklich gewarnt und deutlich gemacht, dass seine Frucht den Tod bringen würde.

Adam und Eva wählten. Dann aßen sie von der tödlichen Frucht und erfuhren sofort die schrecklichen Folgen ihres Handelns. Sie fühlten sich keineswegs besser, sahen sich auch nicht in eine höhere Sphäre versetzt. Die neu gewonnene Erkenntnis, die ihnen von der Schlange versprochen worden war, sah völlig anders aus, als erwartet: Sie erkannten ihre Nacktheit. Sie fühlten sich schutzlos und schämten sich. Das waren neue Gefühle. Dazu waren sie von panischer Angst ergriffen und wollten sich verstecken. Nicht genug damit, versuchten sie auch, ihre Schuld kleinzureden und von sich zu schieben. Tatsächlich, ihre Augen waren geöffnet worden, doch was sahen sie? Nur noch sich selbst! Vor ihrem Schöpfer aber, den sie bis dahin als liebevollen und fürsorglichen Freund erfahren hatten, fürchteten sie sich plötzlich.

Was hast du gegessen? So lautete die Frage, die Gott Adam stellte, als dieser schließlich vor ihm stand.

Warum ist vor dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen zu warnen? Diese Frucht scheint doch sehr schmackhaft zu sein. Sie macht klug, öffnet die Augen und rückt uns in den Mittelpunkt des Geschehens. Was soll daran verwerflich sein?

Der Baum der Erkenntnis tötet! Wer von seiner Frucht isst, wird von Gott, der Quelle des Lebens, abgeschnitten. Wissen und Erkenntnis mögen unseren Horizont erweitern und uns zu Wohlstand und Ansehen verhelfen, doch wenn wir dadurch von Gott weggeführt werden und ihn selbst nicht mehr vor Augen haben, dann haben wir nichts gewonnen, sondern das Kostbarste verloren.

Und das war es auch, was die Schlange bewirkte: Plötzlich war der Fokus des Menschen verschoben: Nicht mehr Gott stand im Mittelpunkt, sondern der Mensch, mit seinem Streben nach Selbstverwirklichung und Unabhängigkeit.

Die Schrift betont, dass beide Bäume, der Baum des Lebens und der Baum der Erkenntnis in der Mitte des Gartens standen. Wir selbst aber müssen entscheiden, von welchem Baum wir essen wollen und wen wir zum Mittelpunkt unseres Lebens bestimmen – uns selbst oder Gott, den Herrn, der uns liebt und nur unser Bestes im Sinn hat.

Die Entscheidung, die Adam mit seiner Frau traf, hatte schreckliche Folgen: Es gab kein Zurück mehr. Der Zugang zum Baum des Lebens wurde von einem Engel mit einem flammenden Schwert versperrt. Und so wäre es bis heute geblieben, wäre nicht der große Durchbrecher gekommen, der den Weg zum Baum des Lebens wieder geöffnet hat – Jesus Christus. Sein Kommen war mit den Worten angekündigt worden: „Er wird als ein Durchbrecher vor ihnen heraufziehen ... Und sie werden durchbrechen“ (Micha 2.13).

Als Jesus am Kreuz sein Leben zum Schuldopfer gab, rief er: „Es ist vollbracht!“ In diesem Moment zerriss der Vorhang im Tempel, der das Allerheiligste verhüllt hatte (Mt.27,50-51). Nun war der Weg zu Gott frei – der Weg zurück zum Baum des Lebens. Seiher kann jeder, der will, kommen, um ewiges Leben zu empfangen – frei und umsonst. Gleichzeitig wird jeder, der von dieser köstlichen Frucht isst, auch erfahren, dass der Schaden, den der Baum des Todes angerichtet hat, heilbar ist, wie groß er auch sein mag.

Die Frucht, die der Baum des Lebens hervorbringt, ist dieselbe Frucht, die im Leben Jesu Christi sichtbar wurde. Dieses Leben aber will er uns überfließend darreichen – als Speise und Nahrung für unseren Geist und unsere Seele. Wer vom Baum des Lebens isst, lässt einen Größeren und Stärkeren in den Mittelpunkt seines Lebens treten – Jesus Christus. Doch der Herr will nicht nur zum Fokus unserer Betrachtungen stehen – er will zur Speise für uns werden. Deshalb sagt er: „Wenn ihr nicht das Fleisch des Menschensohnes esst und sein Blut trinkt, so habt ihr kein Leben in euch“ (Jh.6,53). Und denen, die nur das Wunder der Brotvermehrung vor Augen hatten, rief er zu: „Schafft euch Speise, die nicht vergänglich ist, sondern die bleibt zum ewigen Leben. Die wird euch der Menschensohn geben“ (Jh.6,26-27).

Diese Worte Jesu waren für alle, die sie hörten, schwer verdaulich. Sogar viele seiner Jünger wandten sich daraufhin von ihm ab. „Wie kann der uns sein Fleisch zu essen geben?“ Doch Jesus erklärte, was er damit gemeint hatte, denn er sagte: „Der Geist ist's, der lebendig macht. Das Fleisch ist nichts nütze. Die Worte, die ich zu euch geredet habe, die sind Geist und Leben“ (Jh.6,52.60.63).

Wie also wird Christus für uns zur Speise? Indem wir seine Worte, die Geist und Leben sind, in uns aufnehmen und in unserem Herzen bewegen. So wird Christus selbst, der ja das Wort des Lebens ist, zu unserer Speise und jede Gemeinschaft mit ihm zur Nahrung, die uns innerlich stärkt und erquickt. Es genügt also nicht, wenn wir nur für wahr halten, was wir in der Bibel lesen. Christus will in unserem Herzen wohnen und mit uns eins werden, so wie man mit einer Speise eins wird, wenn man sie gegessen hat. Nur so kann er zu unserer Lebenskraft werden. Allein das Wissen um den Nährwert einer Speise bringt uns noch kein geistliches Wachstum. Paulus schrieb sogar: „Die Erkenntnis bläht auf, aber die Liebe baut auf“ (1.Kor.8,1).

Der Baum der Erkenntnis bringt Menschen hervor, die sich wie die damaligen Pharisäer und Schriftgelehrten gebärden, die zu wissen meinten, was gut und böse und was richtig und falsch ist. So aber blieben sie gefangen in den Kategorien der Gesetzlichkeit. Kein Wunder also, dass sie Jesus – die Verkörperung des wahren Lebens – von sich stießen. Gleichzeitig rühmten sie sich ihrer Frömmigkeit und waren stolz auf ihre eigene Leistung; sie zeigten sich selbstgerecht, waren unbarmherzig, uneinsichtig und rechthaberisch. Was aber sagt der Herr zu jenen, die sich selbst für klug halten und andere verachten? Er spricht: „Ich will zunichte machen die Weisheit der Weisen und den Verstand der Verständigen will ich verwerfen“ (1.Kor.1,19; Mt.11,25).

Wenn wir vom Baum des Lebens essen, dann schmecken wir etwas von der Herrlichkeit Jesu, von seiner Einzigartigkeit und Überragendheit. Wenn er, der Heilige und Gerechte, zum Mittelpunkt unseres Lebens wird, dann wird unsere Furcht vor Gott in ewige Freude verwandelt. Dann müssen wir unsere Schuld auch nicht länger zudecken oder kleinreden. Wir dürfen damit zu Christus kommen und ihm unsere Verfehlungen bekennen. Danach dürfen wir wissen, dass er unserer Sünden nicht mehr gedenkt (1.Joh.1,7-9; Hebr.8,12). Wer vom Baum des Lebens isst, empfängt wahren Frieden. Er weiß sich von Gott geliebt und angenommen, er ist mit Gott versöhnt und gerecht gesprochen. Mehr noch: Wer vom Baum des Lebens isst, wird zu einem Kind Gottes und Erben Christi. Für ihn gibt es keine Verdammnis mehr (Röm.8,1). Er muss sich nicht länger seiner Nacktheit schämen, denn Gott, der Vater, hat ihm das schönste Kleid angezogen, mit dem sich ein Mensch kleiden kann – die Gerechtigkeit Jesu Christi (Lk.15,22; 2.Kor.5,21). Unser eigener Mangel aber wird nun durch die Lebensfülle Christi ausgefüllt, an der wir teilhaben dürfen (Phil.4,19).

Welche Bedeutung der Baum des Lebens in den Augen Gottes hat, wird deutlich, wenn wir das letzte Kapitel der Bibel lesen, denn dort wird dieser nicht nur dreimal erwähnt, wir erfahren auch, dass dieser Baum im Neuen Jerusalem vorhanden sein wird, also ewig ist. Dort wird er jeden Monat Früchte tragen, und seine Blätter werden zur Heilung der Nationen dienen. Schließlich lesen wir: „Selig sind, die ihre Kleider waschen, dass sie teilhaben an dem Baum des Lebens und zu den Toren eingehen in die Stadt“ (Offb.22,2+14).

Zwei Bäume, die unser Leben Tag für Tag überschatten. Zwei Bäume, die zweierlei Frucht hervorbringen – Leben oder Tod. Wer davon isst, wird feststellen, dass dadurch auch zwei Naturen genährt werden, die zwei Reiche verkörpern, regiert von zwei Herrschern, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Und wir stehen dazwischen und entscheiden, von welchem Baum wir essen wollen.

Schmecke und sieh, dass der Herr gut ist (Ps.34,9).

 
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